Kartoffelkombinat e.G.
Zusammenfassung
Das Kartoffelkombinat hat den Anspruch, die Welt zu verbessern. Zumindest wenn es um die Lebensmittelproduktion geht. Wir sind eine Genossenschaft, die ihre Mitglieder mit selbst angebautem Biogemüse versorgt. Weg von industriellen, profitorientierten Agrarstrukturen, hin zu einer lokalen, nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Versorgung. Aus bloßen Konsumenten werden so echte Erzeuger, die sich aktiv und selbstverantwortlich um die gesamte Produktionskette kümmern. Über 1000 Münchner Haushalte haben sich bereits der Genossenschaft angeschlossen. Aber diese Gemeinschaft baut nicht nur Gemüse an, sie ist auch Nährboden für viele AGs und Ideen, die unsere Gesellschaft verändern und gestalten wollen.
Beschreibung der Aktivitäten
Das Konzept des Kartoffelkombinats ist an die Prinzipien der solidarischen Landwirtschaft angelehnt, d. h. die Genossen finanzieren den Anbau und Distribution von regionalem, saisonalem und ökologischem Gemüse auf insgesamt 18 Hektar und teilen die wöchentliche Ernte untereinander auf. An über 90 Verteilpunkten im Großraum München können die über 1.000 Mitgliedshaushalte ihren Ernteanteil einmal in der Woche abholen.
Waren wir in den ersten Jahren des Kartoffelkombinats noch in Gärtnereien eingemietet, so sind wir seit diesem Jahr Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens im Münchner Westen. Die 7 ha eigene Fläche einer ehemaligen konventionellen Baumschule sowie 11 ha Pachtfläche werden wir nun Schritt für Schritt für den Ökolandbau zurückerobert. Das war ein großer Höhepunkt auf unserem bisherigen Weg, denn jetzt sind wir tatsächlich Erzeuger.
In aller Freiheit und mit aller Verantwortung, die dieser Schritt mit sich bringt. Aber nur so können wir eine echte Transformation schaffen – zumindest im Bereich Ernährungsstruktur in und um München.
Jetzt organisieren wir sämtliche Bereiche der Produktion selbstverantwortlich: Ein Gärtnerteam kümmert sich um den Gemüseanbau, das Packteam stellt die Kisten zusammen und unsere Fahrer bringen die Kisten an die verschiedenen Münchner Verteilpunkte. Bereits in diesem Jahr konnten wir eine Selbstversorgerquote von 50 Prozent erreichen, künftig soll sie auf 80 Prozent steigen.
Von Anfang an hatte wir in unserem Leitbild auch politische Ziele festgelegt: Ein zukunftsfähiges, an langfristigen Zielen orientiertes Wirtschaften, Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit und faire Entlohnung waren hier die Kernpunkte. Mit Stolz können wir seit Anfang 2016 sagen: Die Bewegung der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) unter Christian Felber hat uns in einem aufwendigen Verfahren geprüft und unsere Gemeinwohlökonomie ist offiziell zertifiziert worden. Mit über 700 Punkten schneiden wir tatsächlich wesentlich besser ab als zum Beispiel die Sparda-Bank, die TAZ oder VAUDE Sport.
Durch den vermehrten Anbau samenfester Sorten, den Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger, die Reduktion des Plastikaufwands, die kurzen Transportwege und eine extensive Anbauweise setzen wir uns bewusst nachhaltige Maßstäbe und betreiben aktiven Umweltschutz. Wir tragen auch zu einer Reduktion von Lebensmittelverschwendung bei, da konzeptbedingt bei uns keine Überproduktion entsteht. Bei uns gibt es keine Handelsklassen, keine Verluste in der Handelskette und wir können stolz sagen: Wir essen, was wir ernten.
Aber unsere Genossen genießen nicht nur erstklassiges Gemüse, sondern bringen sich auch aktiv ein. Ob bei regelmäßigen Mitgärtneraktionen, Unterstützung beim Kistenpacken, Einkochen oder Ernten: Unsere Gemeinschaft hat großes Interesse einen Teil ihrer Zeit, abseits vom Großstadttrubel, in erdige Angelegenheiten zu investieren. Neben den gärtnerischen Aktivitäten hat sich so ein großes Netz aus Arbeitsgruppen (IT, Energie, Bienen, Integration, etc.) gebildet, welches neue Impulse und Veränderungen bewirken will. Das war auch von Anfang an die Vision des Kartoffelkombinats: Neben der „Gemüsekiste“ geht es darum, eine Struktur in München zu etablieren, die die Menschen mit allem versorgt, was notwendig ist. Daher unser Slogan: München ist ein Dorf. Wir fragen uns: Was kann unser nächster Schritt sein? Was ist notwendig für ein gutes Leben? Was können wir schon heute für eine bessere Zukunft tun? Waldkindergarten? Solidarische Bäckerei? Vielleicht eine Bildungsstätte gleich neben dem Gewächshaus? Wir sind immer noch und immer wieder am Anfang und mit jedem Tag und mit jeder gemeisterten Herausforderung fühlen und bestärken wir unsere Überzeugung: Alles ist möglich. Unser Leben und unsere Zukunft liegen in unseren Händen.
Inwieweit und wodurch konnten gesellschaftliche Gruppen oder Akteure neu für dieses Thema gewonnen oder einbezogen werden?
Das Kartoffelkombinat setzt bewusst auf Synergien und die Vernetzung mit weiteren lokalen Initiativen verstehen wir als absolute Notwendigkeit. Wir kooperieren mit Polarstern, haben eine intensive Zusammenarbeit mit der Montessori-Schule Günzlhofen, mit unseren Produktionspartnern, dem Freiluftsupermarkt Freiham sowie dem Umweltinstitut München.
Allein die Wachstumszahl der Genossenschaft veranschaulicht eine beeindruckende Vernetzung: Mit nur 40 Haushalten startete das KK im Jahre 2012 und beliefert heute mehr als 1000 Haushalte.
Ab Herbst 2017 sollen die Verteilpunkte als aktives Nachbarschaftsnetz ausgebaut werden: weg vom anonymen Nachbarschaftsdasein, hin zu einer lebendigen und aktiven Nachbarschaftsgemeinschaft.
Mit der Gründung des gemeinnützigen Vereins Kartoffelkombinat e. V. können weitere Projekte realisiert werden, die nicht direkt zu den ursächlichen Aufgaben der Genossenschaft gehören. Beispiele sind die AG Integration und die Kartoffelakademie.
Inwieweit und wodurch ist es gelungen eine öffentliche Wahrnehmung für das Thema zu erreichen?
Um möglichst viele Menschen von unserer Idee zu begeistern, nutzen wir unzählige Gelegenheiten an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen (Tollwood, Streetlife- Festival, Heldenmarkt, etc.) und Vorträge zu halten (Umweltverbände, Universitäten, etc.). Durch konsequente Medienpräsenz in Print, Funk und Fernsehen haben wir es außerdem geschafft, weit über die Grenzen Münchens bekannt zu werden und unser Geschäftsmodell dient als Leuchtturmprojekt für andere Städte.
Einmal im Monat findet die Kartoffelakademie statt. Das ist eine Bildungsveranstaltung des Kartoffelkombinat e.V. Die Vorträge dieser Reihe sind offen für alle Interessenten und behandeln Themen rund um Nachhaltigkeit, Postwachstumsökonomie, ökologischer Landbau sowie Völkerverständigung und interkulturelle Themen.
Das Kartoffelkombinat wird im Film Projekt A porträtiert, der mit dem Publikumspreis der Münchner Filmfestspiele ausgezeichnet wurde.
Wie sollen die Aktivitäten in Zukunft weitergeführt werden?
Nach dem Kauf der Gärtnerei Anfang 2017 geht es für uns jetzt darum, die Eigenproduktion kontinuierlich zu steigern, Arbeitsprozesse zu standardisieren und die Verwaltung effizienter zu gestalten. Die Gärtnerei soll des Weiteren ein Ort der Begegnung und Erholung für die Genossen werden.
Ein weiterer Meilenstein wird der Bau einer modernen Logistik- und Lagerhalle im Jahr 2018 sein. So wird eine ganzjährige Versorgung realisierbar. Die Aufnahme von über 500 weiteren Haushalten bis zum Jahr 2020 ist notwendig und markiert auch die finale Größe unserer Genossenschaft. Grundsätzlich wird es dann immer mehr darum gehen weitere Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens selbst zu organisieren, zu überdenken und mitzugestalten. Die Initiative steht für deutlich mehr als nur Gemüseanbau. Das Kartoffelkombinat versteht sich als Anbaugebiet für ein alternatives (Land-)Wirtschaftssystem. Wir sind gespannt auf die Zukunft und haben noch viel vor.